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Motorrad fahren – (k)eine Frage des Alters

Motorradfahrer werden immer älter, aber ist man fürs Motorradfahren eigentlich jemals zu alt? Kann man die Fahrtauglichkeit wirklich am „Baujahr“ des Fahrers festmachen? Eine subjektive Einschätzung.

Neulich am Bikertreff. Die üblichen Verdächtigen stehen im Halbkreis um Walter, der stolz sein neues Motorrad präsentiert. Schnell, bissig, ja fast schon angriffslustig steht die sportliche Italienerin da - eine Kurvenfräse, die so gar nicht zu den grauen Haaren ihres Fahrers passen will. Einer aktuellen Studie zufolge gehen ältere Motorradfahrer ihr Hobby nämlich lieber gemütlich an.

Das schlägt sich auch in der Auswahl des passenden Motorrads nieder. Wer einmal die Fünfzig überschritten hat, wünscht sich demnach eine komfortable, tourentaugliche Maschine, die das Zubehör für entspanntes Reisen bereits mitbringt. Optik, Sound und Beschleunigung – die Kernkompetenzen von Walters neuer Begleiterin – sind in allen Studien klar der jüngeren Generation zugeordnet. Diese Meinung teilen auch die Kumpels am Bikertreff.

„Musstest du dir echt noch so einen Supersport-Hobel zulegen?“, fragt Micha, der selbst schon stramm auf die 60 zugeht, und ergänzt fast vorwurfsvoll „Aus dem Alter bist du doch schon 'ne ganze Weile raus“. Die anderen nicken zustimmend und einer spricht aus, was vermutlich die meisten denken: „Wird es für dich nicht sowieso langsam Zeit, den Lappen abzugeben und ganz aufzuhören mit dem Motorradfahren?“

Eine lebhafte Diskussion entbrennt, um die Frage zu klären, wann genau man zu alt ist, um sich sicher auf zwei Rädern fortzubewegen zu können. Und Walter? Der hat sich die Italienerin zum 75. Geburtstag geschenkt, lässt die Jungs reden und lächelt nur milde. Er denkt noch gar nicht ans Aufhören, was mich nicht wirklich wundert, denn er ist körperlich fitter als so mancher Jungspund. Und Fitness ist in jedem Alter eine wichtige Voraussetzung zum Motorradfahren.

Motorradnachwuchs – oft Fehlanzeige

Dass wir Motorradfahrer immer älter werden, ist allgemein bekannt. Nicht umsonst klagen Handel und Industrie seit Jahren über fehlenden Nachwuchs. Damals in den 80ern, als ich fahren lernte, wurden Auto- und Motorradführerschein oft zusammen und auf jeden Fall mit 18 Jahren gemacht. Heutige Jugendliche lassen sich mehr Zeit und Motorradfahren steht bei den wenigsten auf der Wunschliste. Zu teuer, zu umständlich – und die sagenumwobene Freiheit auf zwei Rädern ist für viele auch kein erstrebenswertes Ideal mehr. Aber das ist ein anderes Thema.

Wiedereinsteiger: nach der Familienphase wieder aufs Motorrad

Auch wir Älteren sind alles andere als eine homogene Gruppe. Natürlich gibt es die Enthusiasten, die schon immer gefahren sind und es auch immer tun werden. Aber auch viele Wiedereinsteiger jenseits der Vierzig oder Fünfzig finden nach der Familienphase den Weg (zurück) aufs Motorrad.

Frauen, die früher Sozia waren, fangen oft in diesem Alter erst an, selbst Motorrad zu fahren. Manchmal gemeinsam mit ihrem Mann, der sich vielleicht nach jahrelanger Pause wieder ein Motorrad gekauft hat, manchmal aber auch, um den eigenen Traum vom Motorradfahren endlich zu verwirklichen.

Sowohl Anfängerin als auch Wiedereinsteiger sammeln dann erstmal ein paar Jahre Fahrpraxis und schwupp – ist man um die Sechzig und der nicht motorradaffine Bekanntenkreis fängt langsam ein, einem das Aufhören schönreden zu wollen. Dabei hat man doch gerade erst angefangen…

Motorradfahren ist keine Frage des Alters

Hört sich an, als ob es das richtige Alter zum Motorradfahren gar nicht gibt, oder? In der Jugend andere Prioritäten, dann kommt die Familie und schließlich ist man zu alt. Ich finde, das Gegenteil ist der Fall – Motorradfahren ist keine Frage des Alters, sondern vielmehr eine Frage der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit. Und die kann man nicht vom Alter abhängig machen.

Ich kenne 20-Jährige, die mit der Teilnahme am Straßenverkehr absolut überfordert sind, aber auch so Typen wie Walter, den kaum jemand auf 75 schätzen würde, weil er sein Leben lang sportlich unterwegs war und entsprechend fit ist. Er fährt jedes Jahr über 20.000 km auf zwei Rädern und ist daher sicherer unterwegs als viele jüngere Menschen, die ihr Motorrad nur gelegentlich aus der Garage holen.

Sehen, Hören, Reagieren

Klar lässt im Alter das Sehvermögen nach. Schwerhörigkeit ist bei älteren Menschen ebenfalls häufiger anzutreffen. Aber beides lässt sich heute hervorragend korrigieren und sollte niemanden davon abhalten, am Straßenverkehr teilzunehmen – ganz egal, ob auf zwei oder vier Rädern.

Unabhängig vom bewegten Fahrzeug ist es wichtig, schnell und richtig reagieren zu können. Und das kann man trainieren, auch im Alter noch. Motorradfahren lernt man – wie vieles andere auch – am besten dadurch, dass man es tut. Wer lange Jahre viel gefahren ist, erlangt eine Sicherheit, die ein junger, körperlich vielleicht leistungsfähigerer Fahrer gar nicht haben kann, weil ihm einfach die nötige Fahrpraxis fehlt. Verallgemeinern kann man das natürlich nicht, es gibt auch solche, die jahrelang viel Motorrad fahren und es trotzdem nie richtig lernen, aber auch das ist ein anderes Thema.

Wann ist wirklich Zeit, den Motorradführerschein abzugeben?

Diese Frage muss jeder Motorradfahrer für sich selbst beantworten. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, können wir auch instinktiv und ohne großes Nachdenken sagen, ob wir immer noch souverän fahren oder schon Probleme haben. Denn spätestens, wenn wir zum Sicherheitsrisiko werden, ist die Zeit zum Aufhören gekommen. Schließlich ist das Motorrad hierzulande ein Hobby und in den meisten Fällen nicht zwingend notwendig, um von A nach B zu kommen.

Es gibt genügend Motorradfahrer, die trotz körperlicher Einschränkungen sicher im Straßenverkehr unterwegs sind. Wer z.B. die Beine nicht mehr über die Sitzbank bekommt, kann sich immer noch einen Roller mit niedrigem Einstieg kaufen. Ist die Zeit für eine Lesebrille gekommen, kann statt oder zusätzlich zur Karte ein Navi mit Ansage im Helm hilfreich sein.

Wenn aber z.B. der Gleichgewichtssinn versagt, dann ist Schluss mit Motorradfahren. Unabhängig vom Alter. Und wenn der Spaß auf der Strecke bleibt, weil die Wehwehchen überhandnehmen, werden die allermeisten Menschen automatisch das Motorrad stehen lassen. Wer will schon ein Hobby, das einfach nur anstrengend ist, keinen Spaß macht und wenig Erfolgserlebnisse bietet? Eben.

Und die Moral von der Geschicht?

Auch mit 60, 70 oder gar 80 kann man und auch Frau noch aufs Motorrad steigen. Viel wichtiger als das Geburtsjahr sind die körperliche und geistige Fitness – im Zweifel schadet ein regelmäßiger Check beim Arzt also nicht. Auf jeden Fall aber sollte sich jeder ältere Motorradfahrer immer mal wieder fragen, ob Motorradfahren noch die gleichen Glücksgefühle auslöst wie früher. Die ehrliche Antwort auf diese Frage ist der beste Hinweis, ob man zu alt ist zum Motorradfahren oder nicht.

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Zuletzt aktualisiert am 24.05.2023